Wertschätzen kann nur, wer SELBST WERT sieht
Es gibt unzählige Studien, die darauf hinweisen, dass es uns an etwas fehlt. WERTSCHÄTZUNG. Ein in Führungskräftetrainings und -coachings mittlerweile inflationär benutzter Begriff, ja, fast schon Unwort oder Buzzword, aber es bleibt wie es ist. Wir haben ein Wertschätzungsproblem. Denn Wertschätzung ist ein menschliches Grundbedürfnis. Ob in Familie, im Bekanntenkreis oder am Arbeitsplatz brauchen wir Wertschätzung, weil sie uns Kraft gibt, motiviert und wir durch sie unserem Leben Sinn geben können.
Wertschätzung führt zu Wertschöpfung
Und doch haben nur 15 Prozent der Befragten einer Studie des Wertschätzungsindex Deutschland das Gefühl, ausreichend Wertschätzung am Arbeitsplatz zu erfahren. Dies hat Auswirkungen auf Teams und Unternehmen. Denn Wertschätzung führt zu Wertschöpfung. Fehlt diese, hat das einen Einfuss auf die Produktivität. Krankheitsraten und Kündigungen steigen. Tatsächlich ist fehlende Anerkennung statistisch gesehen der häufigste Grund, warum Mitarbeitende gehen. Diejenigen, die es dennoch schaffen, tagtäglich ihr Gesicht zu zeigen, verspüren immer weniger Verbundenheit und Dankbarkeit. Und hier wird es interessant - in einer US-Amerikanischen Studie wurde über 16 Jahre der Zusammenhang zwischen Dankbarkeit und ethischem Verhalten am Arbeitsplatz untersucht. Das Ergebnis ist nicht überraschend. Ein paar Augenblicke der Dankbarkeit verbesserten die moralischen Entscheidungen der Menschen erheblich. Umgekehrt kann dies bedeuten, dass fehlende Dankbarkeit zu unehrlichem Verhalten führen kann. Leider ist das wiederum keine gute Basis für Vertrauen und das Arbeitsklima. Ein Teufelskreislauf.
Wertschätzung kommt oft nicht an, weil wir unterschiedliche „Sprachen“ sprechen
Dankbarkeit ist jedoch nur ein Aspekt der Wertschätzung. „Ich bedanke mich sehr oft bei meinen Mitarbeitenden, wenn sie einen guten Job gemacht haben“ wirst du nun vielleicht denken. „Oh, wir organisieren doch regelmäßig Firmenevents und zeigen unseren Teams Wertschätzung, z.B. verschenken wir kleine Goodies. Trotzdem sinken unsere Engagement-Werte in den Mitarbeiterumfragen.“ sagt vielleicht deine Chefin. Nun, was ist denn die Ursache dafür, dass Wertschätzung, obwohl in allen Köpfen, am Ende doch nicht ankommt? Ganz interessant finde ich hier den Ansatz, den Gary Chapman in seinem Buch „Die 5 Sprachen der Mitarbeitermotivation“ beschreibt. Er geht davon aus, dass es 5 Möglichkeiten gibt, Wertschätzung zu zeigen:
Verbales Lob und Anerkennung
Sich Zeit nehmen, zum Beispiel in regelmäßigen Einzelgesprächen
Hilfsbereitschaft oder „sich kümmern“
Kleine Geschenke
Körperkontakt - eine Umarmung oder ein Schulterklopfen (Achtung, nur wenn ich mir absolut sicher bin, dass die Art der Wertschätzung einvernehmlich ist)
Nun sprechen wir meist eine oder zwei Sprachen lieber und häufiger als andere - und verstehen daher vielleicht nicht immer die Wertschätzung anderer, wenn sie nicht in „unserer Sprache“ übermittelt wurde. Ich möchte hier gerne ein Beispiel teilen. Ich persönlich zeige Anerkennung gerne verbal und außerdem schenke ich leidenschaftlich gerne. Nun hatte ich also diesen einen Chef, der diese zwei Sprachen offensichtlich nicht vorrangig nutzte. Was war die Folge? Ich fühlte mich nicht anerkannt. Als ich dann über das Konzept der unterschiedlichen Sprachen der Wertschätzung stolperte, erkannte ich, dass mir mein Chef Wertschätzung anders zeigte - denn obwohl er (wie wohl so viele heutzutage) immer sehr beschäftigt und sein Terminkalender randvoll war, hatte ich in den regelmäßigen Gesprächen mit ihm seine volle Aufmerksamkeit. Kein Telefonat, keine Kurznachricht lenkte ihn in dieser Zeit ab. Er schenkte mir also Wertschätzung in Form von seiner Zeit.
Falsche Wertschätzung ist schlimmer als fehlende
Im Nachhinein war ich sogar dankbar für diese persönliche Art der Wertschätzung im Gegensatz zu generalisierten Worthülsen, die alles und nichts bedeuten können. „Falsche Wertschätzung ist schlimmer als fehlende“ sagt Christine Farbig, die mit ihrem Team vom Zukunftslabor CreaLab mittels einer Crowdwriting Aktion 30 anonyme Briefe im Buch „Briefe an den Chef“ veröffentlicht und ausgewertet hat. Eine der am häufigsten ausgedrückten Emotionen sei das der Enttäuschung gewesen. Grund hierfür seien unter anderem nicht erwiderte Loyalität und Scheinwerte, die im Alltag nicht gelebt werden. Gute Beziehungen können nur dann entstehen, wenn einem ehrliche emotionale Wertschätzung entgegengebracht wird - also das berechtigte Gefühl, man sei wichtig für die Weiterentwicklung des Unternehmens.
Wie muss sie also sein, die echte Wertschätzung? Hier hilft uns, wie so oft im Leben, PASTA. Nur diesmal nicht als Seelenfutter, sondern als Eselsbrücke. PASTA steht für Persönlich, Authentisch, Spontan, Treffend und Angemessen. Damit Wertschätzung ankommt und wirkungsvoll ist, sollte sie persönlich sein, also im besten Fall in der richtigen Wertschätzungssprache formuliert sein. Viel bringt viel nach dem Gießkannenprinzip und einem „Habt ihr wirklich super gemacht“ funktioniert leider nicht. Authentisch sein bedeutet, sich nicht zu verbiegen, Gefühle zuzulassen und den Mut zu haben, echt zu sein. Wertschätzung sollte in dem Moment gezeigt werden, wenn sie angebracht ist und nicht erst einen Monat später in einer formellen Award-Verleihung. Natürlich sollte Wertschätzung konkret für den Wert gezeigt werden, der geschätzt wird, ansonsten verfehlt sie ihr Ziel. Und zu guter letzt sollte sich Wertschätzung an der Situation orientieren und angebracht sein. Übertreibungen mag niemand und sind meist für beide Parteien peinlich.
Bei sich selbst anfangen
Nun könnte man denken, das klingt ja alles einfach, und man selber habe ja auch gar kein Problem damit, Wertschätzung entgegen zu bringen. Das Problem sind ja schließlich die anderen, die einem keine Wertschätzung zeigen. Hier gibt es verschiedene Herangehensweisen. Zum einen können wir jederzeit Wertschätzung einfordern. Das klingt erstmal drastisch, kann aber einen Dialog eröffnen und vielleicht merkt man in diesem, dass es in Vergangenheit lediglich „Übersetzungsschwierigkeiten“ gab. Zum anderen kann Wertschätzung eine Investition sein, die sich zurückzahlt. Vielleicht lohnt es sich einmal zu reflektieren, ob und wie ich meine Mitmenschen wertschätze. Ein wesentlicher Schlüssel ist es, bei sich selbst anzufangen. Denn wertschätzen kann nur, wer SELBST WERT sieht.